Eines meiner drei gelesenen Bücher im März war Frauen schulden dir gar nichts von Florence Given, aus dem Englischen übersetzt von Eva Horn und Kathrin Weßling, erschienen im @kiwi_verlag .


Das Buch, im Englischen Original Women don’t owe you pretty, räumt mit Glaubenssätzen auf, mit denen wir alle groß geworden sind und stellt unser patriarchal geprägtes Gehirn ordentlich in Frage.
Es erschien mir, wie eine Mischung aus Sachbuch und Ratgeber, das mir einerseits aufzeigt, wie die Dinge sind, erklärt, warum es ist, wie es ist und Ideen mitgibt, wie wir es besser machen können. Es geht um sexualisierte Gewalt und um consent, um Schwesternschaft, den männlichen Blick und wie wir ihm nicht gerecht werden, um das Erkennen und Ausleben der eigenen Sexualität, um Rollenbilder und vor allem: um Selbstliebe. Es geht darum, dass wir selbst jeweils die große Liebe unseres Lebens sein sollten und endlich damit anfangen müssen, uns und unsere Körper auch so zu behandeln.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen. Es arbeitet auch schwere Themen locker und fluffig auf und lässt sich hervorragend weglesen. Kritische Kapitel sind am Anfang jeweils mit einer Triggerwarnung versehen. Mit meinen 32,5 Jahren und dem Wissen aus 7389 Büchern von Feminist*innen über Feminismus konnte Givens Buch mir jetzt nicht allzu viel neues berichten und dennoch hat das Lesen Spaß gemacht und meine Tage versüßt. Vor allem aber habe ich mir zahllose male gewünscht, es meinem 16-jährigen Ich in die Hände drücken zu können, die Selina von vor 16 Jahren feste in den Arm zu nehmen und ihr zu sagen, dass alles gut wird.
Im Ernst: verteilt dieses Buch an alle Mädels und jungen Frauen in eurem Umfeld! Sie werden es euch danken.

Ich möchte noch kurz etwas zur Kritik von Chidera Eggerue an Givens Buch und dem ehemals gemeinsamen Management sagen. Eggerue wirft Given vor, ihr Buch „What a Time to be alone“ in Teilen kopiert zu haben und unterstellt dem Management, Givens Buch in den Vordergrund gestellt und besser beworben zu haben. Eine Weiße soll also die Ideen einer Schwarzen kopiert und sich zusammen mit dem Management daran bereichert haben.

Ich habe What a Time to be alone vor etwa zwei Jahren gelesen (Rezi im Feed). In der jetzt erschienenen deutschen Ausgabe von Givens Buch wird Eggerue mehrfach explizit als Inspirationsquelle und Ideengeberin benannt und ihr und anderen Schwarzen Frauen widmet Given die Danksagung. Inwiefern dies nach der Kritik überarbeitet wurde, kann ich jedoch nicht beurteilen. Als Komparatistin bin ich große Anhängerin der Intertextualität. Kein Text entsteht aus dem Nichts, wir alle werden geprägt durch die Dinge, die wir lesen und unser Lesen beeinflusst auch wie und was wir schreiben. Selbstverständlich ist es wichtig, die Quellen zu benennen. Dies ist hier (in der Übersetzung) eindeutig passiert. Mein Eindruck war zudem auch, dass Givens Buch thematisch viel breiter aufgestellt ist, während Eggerue sich auf ein einzelnes Thema fokussiert, dieses dafür aber sehr ausführlich behandelt.
Sollte die englische Originalausgabe von Givens Buch die gleichen Hinweise auf Eggerue beinhalten, kann ich für meinen Teil kein Plagiat erkennen. Inwiefern die Vorwürfe gegen das Management zutreffen, kann ich nicht beurteilen und offensichtlich ist auffällig, dass Given nun ins Deutsche übersetzt wurde, während Eggerues Buch nach wie vor nur auf Englisch erhältlich ist. Das ist schade und kann natürlich durchaus den von Eggerue unterstellten rassistischen Strukturen im Literaturbetrieb geschuldet sein. Ich hätte mit zumindest vom Management, als auch von den jeweiligen Verlagen ein (besseres) Statement hierzu gewünscht. Habt ihr eines der beiden oder beide gelesen? Wie steht ihr dazu?