[…] und dann weint Lola. […] Ihre Tränen fallen in diese Festung aus Körpern, und es spielt keine Rolle, dass sie fünfzehn sind, siebzehn, achtzehn, Lola fühlt sich alt, unendlich alt. Diese Verbindung reicht Jahrtausende in die Vergangenheit und genauso weit in die Zukunft. Sie hört einen Herzschlag […] und sie weiß, was sämtliche Frauen auf der Welt wissen: Was einer von uns geschieht, geschieht uns allen.

S. 235.

Helene, Mutter von drei Kindern, Ehefrau und beste Freundin steht eines Abends vom Abendbrottisch auf, geht auf den Balkon und stürzt sich in den Tod. Ohne Erklärungen, ohne Abschied. Zurück bleiben, neben ihren zwei kleinen Söhnen und dem Ehepartner, ihre Teenager-Tochter Lola aus einer früheren Beziehung und Helenes Kindheitsfreundin Sarah, die sie ihr ganzes Leben lang begleitet hat. Aus den Perspektiven dieser beiden erzählt der Roman davon, wie die Frauen mit der Trauer umgehen und wie das patriarchale System sie wieder und wieder in Situationen bringt, in denen sie sich unwohl fühlen, ohne ihnen entkommen zu können. Während Lola erwachsen wird und gleichzeitig versucht, nicht an der Trauer über den Tod der Mutter zu zerbrechen, möchte Sarah die Leerstelle füllen, die Helene hinterlassen hat und verliert sich dabei beinahe selbst. Dabei wächst in beiden eine unbändige Wut, über all jene kleinen Ungerechtigkeiten, die der Alltag für Frauen mit sich bringt – es ist eine Wut, die bleibt. Doch die Art und Weise, wie Lola und Sarah mit dieser Wut umgehen, unterscheidet sich radikal…

Nachdem mich die beiden ersten Romane von Mareike Fallwickl ( @the_zuckergoscherl ) zwar solide gefesselt, aber nicht komplett aus den Socken gehauen haben, hat sie mit „Die Wut, die bleibt“ in meinen Augen ein absolutes Jahreshighlight geschaffen, das für mich eindeutig Potential zum Langzeit-Favoriten hat. Sie hatte mich von der ersten, bis zur letzten Seite. Ich habe mit Lola, Helene und Sarah gefühlt, gelitten und gewütet und auch sprachlich hat mich der Text durchweg überzeugt.

Fallwickls Protagonist*innen sind dabei facettenreich, voller Grauzonen und dadurch authentisch.
Es stimmt, was kritische Stimmen über die Männer in diesem Roman sagen: sie kommen allesamt nicht besonders gut weg. Das ist jedoch meines Erachtens nicht der Tatsache geschuldet, dass Frau Fallwickl sich Dinge aus der Nase zieht. Viele Männer verhalten sich nun mal so und es geht in ihrem Buch nicht zuletzt genau darum.
Sollte ich jemals ein Buch über den Geschmack von Eiscreme im Sommer schreiben, kann ich das ja auch tun, ohne von Rotkohl im Winter zu schwärmen, nicht wahr?!
Auch die geäußerte Kritik der Gewaltverherrlichung erschließt sich mir kein bisschen. Wer das Buch zu Ende liest, erkennt, dass nicht körperliche Gewalt für die Protagonistinnen eine tatsächliche Lösung darstellt, sondern echte Schwesternschaft.
Ich kann dieses Buch wirklich nur jeder und jedem ans Herz legen. Believe the Hype! Fallwickl hat ein brutal ehrliches feministisches Manifest geschaffen, das rüttelt und entfesselt und wütend macht und beeindruckt und ich liebte nahezu alles daran.
Lest es! Alle! Und dann: Bildet Banden! Zündet das scheiß Patriarchat einfach an!