Everyday Magic von Hannah und Marie Krutmann ( @hannah_lagom@krutfrau ) habe ich bereits vor einiger Zeit beendet und mich aus zwei Gründen lange um die Rezension gedrückt:
1. Ich bin durchaus und wahrhaftig nicht der Typ für Lebensratgeber.
2. Alles Esoterische ist eigentlich gar nicht mein Ding.

Und doch… Irgendwie hat mich dieses Buch in der Bibliothek angesprochen. Man muss ja wissen, woran man nicht glaubt und wogegen man argumentiert, habe ich gedacht und es ausgeliehen. Und es gefiel mir auf Anhieb so gut, dass ich ein Rezensionsexemplar anfragte und dieses Buch definitiv behalten möchte. Es hat mich nämlich jede Menge gelehrt. Doch eins nach dem anderen…

Im großen und ganzen geht es in diesem Buch darum, wie „Magie“ uns im Alltag helfen kann. Dabei reden die Autorinnen nicht von Hokuspokus im Hogwarts-Style sondern von Techniken wie Manifestation und Meditation, Selbstfürsorge als Akt der Selbstermächtigung, zyklischem Leben und solidarischer Schwesternschaft. Sie erläutern die Geschichte der Hexerei von ihrem Ursprung in schamanischen Ritualen und Medizin, über die frauenfeindliche und grausame Verfolgung im Mittelalter und der frühen Neuzeit, bis hin zur modernen Hexenbewegung, die auf feministischen Grundlagen basiert, sich auf uraltes Wissen beruft und den negativ konnotierten Begriff zurückerobern will.

Ja, es geht auch um Steine, Horoskope und Kräuter und nicht alles davon ist my cup of tea. Muss es aber auch gar nicht sein – und auch davon erzählen die Krutmann-Schwestern. Nicht allen muss alles gefallen, nicht alle müssen alles glauben, aber was hilft und glücklich macht, ist erlaubt. „Alles nur Placebo? Mag sein, aber daran ist ja nichts verkehrt – und wenn es hilft […], umso besser!“ S. 48.
Es geht hierbei explizit nicht um Krankheiten und andere medizinische Probleme (wenn ein Buch an der Stelle nicht eindeutig dazu auffordert, medizinisches Fachpersonal aufzusuchen, einfach ciao!) sondern um alltägliche Lebenshilfe. Wenn es hilft, einen bestimmten Stein in der Tasche zu haben, um die eigene anxiety in den Griff zu bekommen: why not?!

Seitdem ich Frauenmantel- und Schafgarbetee für mich entdeckt habe, leide ich während meiner Periode einfach hundertmal weniger und wenn böse Zungen Kräuterheilkunde in die Eso-Ecke stellen wollen, dann bitte! Dafür kann ich nach wie vor rein gar nix mit Astrologie anfangen, aber, und das ist das eigentlich Großartige, was mir das Buch gezeigt hat: ich muss es nicht verstehen, um zu respektieren, dass es anderen Menschen vielleicht etwas gibt! Du kannst stundenlang über Planetenkonstellationen brüten oder dir täglich Tarotkarten legen: nur weil ich damit nix anfangen kann, heißt das nicht, dass es dir nicht hilft oder dein Leben nicht in irgendeiner Form bereichern kann.


Zu verstehen, dass es zwischen rein rationaler Wissenschaftlichkeit und esoterischem Scharlatanismus inklusive Verschwörungstheorien und reptiloiden Außerirdischen unendlich viele Graustufen gibt, hat mir persönlich ziemlich die Augen geöffnet und mein eigenes Leben um einige magische Momente im Alltag bereichert. Da stört es auch nicht, dass ich mit vielen der im Buch genannten Praktiken und Ideen so gar nichts anfangen konnte, denn interessant waren die für mich neuen Perspektiven dennoch allemal.


Für Einsteiger*innen, die von Eso-Schmeso keine Ahnung haben, aber offen für neues und interessiert an der Thematik sind, ist dieses Buch genau das Richtige.
Abschließend noch einen meiner liebsten Absätze, um euch verstehen zu lassen, warum mir die zwei Autorinnen schon auf S. 17 absolut sympathisch waren:

Zwar finden immer mehr junge Frauen und Femmes ihren Weg zur Spiritualität, um sich aus zu starren Strukturen im Job oder einer Beziehung zu lösen (was super ist), doch anstatt sich aktiv zu befreien, geben sich einige von ihnen einer erneuten Abhängigkeit hin. Sie tauschen den Leistungsdruck und den Diätenwahn ein gegen den Druck, bestimmte Yogaposen perfekt zu beherrschen. Damit perfektionieren sie die Bewegungen einer fremden Kultur, die für männliche Körper konzipiert wurden. Sie befreien sich vielleicht aus einer monogamen Beziehung mit einem patriarchalen Arschloch, landen stattdessen jedoch in einer offenen Beziehung mit einem pseudo-erleuchteten Yogi, der zwar von Energien faselt, sich im Prinzip aber einfach nicht festlegen will. […] Nicht jede Art der Spiritualität, die von modernen Frauen praktiziert wird, ist automatisch feministisch. Nicht jede ist politisch korrekt, und nicht jede ist psychologisch unbedenklich.

Ja cool! Hätte ich nicht schöner sagen können! Danke, liebe Krutmann-Schwestern für die Lehrstunde und danke an @bastei_luebbe für das Rezensionsexemplar!