Unbedingt wollte ich wissen, was es mit dem Hype um „Der Papierpalast“ auf sich hat, was dieser Palast eigentlich ist und worum es geht. Das Cover kommt lockerleicht und sommerlich daher, der Plot spielt an einem See und auch der Klappentext lässt eine Sommerlektüre vermuten, die zwar nicht platt, aber doch leicht zu verdauen ist. Weit gefehlt…

Es geht um Elle, eine 50-jährige, verheiratete Frau und Mutter von drei Kindern. Seit sie denken kann, verbringt sie ihre Sommer im Papierpalast, dem an einem See gelegenen Ferienhaus der Familie. Hier hat sie schon als Kind Jonas kennen gelernt. Die beiden sind wie Pech und Schwefel. Sie lieben sich, aber sie können nicht zusammen sein, denn ein gemeinsames Geheimnis umgibt sie. Heute, viele Jahre später, treffen sie und ihre jeweiligen Familien einmal mehr aufeinander. Bei einem gemeinsamen feucht fröhlichen Abendessen passiert es: die beiden schlafen miteinander. Jetzt muss Elle sich entscheiden: verlässt sie ihren Mann, um mit der Liebe ihrer Jugend neu anzufangen oder bleibt sie bei Peter, dem Vater ihrer Kinder?

So weit, so gut. In etwa das ist es, was der Klappentext uns wissen lässt. Was er uns verheimlicht: in dieser Geschichte geht es außerdem um einen Haufen toxischer Beziehungen, sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung, emotionalen und psychischen Missbrauch. Ich kann nicht viel mehr darüber sagen, ohne zu spoilern, aber ich habe selten einen so irreführenden Klappentext gelesen. Angeblich handelt der Roman davon, „was es bedeutet, eine Frau zu sein“ und es mag daran liegen, dass die Protagonistin 20 Jahre älter ist als ich, aber wenn es das ist, was Frausein ausmacht, dann Ciao.
Auch der Kommentar von Eva Menasse, der davon spricht, das Buch sei „ergreifend“ und „witzig“ erschließt sich mir nicht und ich frage mich, wo die Männer im Roman „ein bisschen zu perfekt“ sind. Meint sie den kettenrauchenden Ehemann, der seine Frau konsequent „Weib“ nennt und sie ein bisschen wie ein kleines Kind behandelt oder den Lover, der sie gefühlt ständig lüstern anglotzt, begrapscht und übergriffig ist?

Ich weiß nicht, ob es an mir liegt, aber ich fühlte mich zwischenzeitlich an einen düsteren Nicholas Sparks Roman erinnert. Die Dialoge haben diesen Eindruck leider verstärkt, denn sie wirkten auf mich oft künstlich und gestelzt. Die Handlungen und das Schweigen der Protagonistin haben sich mir überhaupt nicht erschlossen. Ich konnte mich kein bisschen mit ihr identifizieren.


Da der Roman auf mehreren Zeitebenen erzählt wird, beschreibt er eine weitreichende Familiengeschichte. Zum Großteil war das für den Plot wichtig, teilweise habe ich mich aber auch gefragt, warum derartig weit ausgeholt werden muss. Handwerklich ist der Autorin Miranda Cowley Heller dabei absolut nicht viel vorzuwerfen, denn Struktur und Plot sind einwandfrei konstruiert und erhalten die Spannung von der ersten bis zur letzten Seite. So kann ich auch die vielfach betonte Sogwirkung des Buches absolut bestätigen. Auch ich wollte unbedingt wissen, was passiert ist und wie es für Elle weitergeht – obgleich ich mit den Figuren nicht viel anzufangen wusste.


Leider konnte mich dann auch das Ende nicht mit dem Buch versöhnen und ich habe zuletzt nur noch die Augen gerollt und es zu Ende bringen wollen… Es handelt sich hier in keiner Weise um ein schlechtes Buch und ich will es auch um Gottes Willen niemandem madig machen, aber es war einfach absolut nicht meins. Gleichzeitig verstehe ich voll und ganz, was viele daran so begeistert. Mehrfach habe ich beim Lesen gedacht, dass ich diesen Roman unbedingt als Serienadaption von und mit Reese Witherspoon sehen möchte, denn ich glaube, in ihren Händen wäre der Stoff hervorragend aufgehoben und das Ergebnis Gold wert.


Fahrlässig finde ich allerdings die Entscheidung des Verlags, auf jeglichen Hinweis zum harten und mitunter sehr grafischen Inhalt zu verzichten und einen Text dieser Art so zu vermarkten.
Wie ging es euch mit dem Buch? Gehört ihr zur begeisterten Fraktion oder seid ihr auch eher zwiegespalten? Und erzählt mir doch gern (via dm, um Spoiler zu vermeiden), wie ihr dieses Ende interpretiert habt, das mich so unbefriedigt zurückgelassen hat.
Erschienen bei Ullstein, aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Susanne Höbel.