Wie man es dreht, Herkunft bleibt doch ein Konstrukt! Eine Art Kostüm, das man ewig tragen soll, nachdem es einem übergestülpt worden ist. Als solches ein Fluch! Oder, mit etwas Glück, ein Vermögen, das keinem Talent sich verdankt, aber Vorurteile und Privilegien schafft.

S. 32


Late to the party:
Zusammen mit @lesestress und @knigaljub habe ich Saša Stanišičs Herkunft gelesen.

In diesem autobiografischen Text, für den der Autor letztes Jahr mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, schreibt er über sein Geburtsland Jugoslawien, seine Flucht nach Deutschland, seine Jahre in Heidelberg und seine Familie, insbesondere seine Großmütter.
Sprachlich ist dieses Buch eine absolute Wucht! Was Stanišič mit der deutschen Sprache macht, wie er Worte benutzt, ihnen eine neue Bedeutung zuschreibt und mit ihnen spielt, ist schlicht und ergreifend beeindruckend.
Am Ende wird das Buch interaktiv und schafft eine völlig neue Leseerfahrung, die es unvergesslich macht.

Besonders das Lesen mit anderen war bereichernd. Wir konnten viel besprechen und ich habe so viele Anreize und Impulse bekommen, die ich allein vielleicht nicht wahrgenommen hätte.
Beim Lesen alleine wäre es eventuell steckenweise etwas langatmig geworden, aber im Dialog und im gemeinsamen Gespräch halte ich dieses Buch für unfassbar wichtig, für ein Zeitzeugnis, das jede*r lesen sollte.

Welten vergehen, stellt man sich denen, die sie vergehen lassen wollen, nicht früh und entschieden in den Weg.

S. 98

Jedes Zuhause ist ein zufälliges: Dort wirst du geboren, hierhin vertrieben, da drüben vermachst du deine Niere der Wissenschaft. Glück hat, wer den Zufall beeinflussen kann. Wer sein Zuhause nicht verlässt, weil er muss, sondern weil er will.

S. 119