Kate Elisabeth Russel – Meine dunkle Vanessa

Triggerwarnung: Sexueller und Psychischer Missbrauch!

Bereits viel besprochen musste ich es auch lesen:
„Meine dunkle Vanessa“ von Kate Elisabeth Russel und mir fehlen ein wenig die Worte, um zu beschreiben, wie es mir nach dieser Lektüre geht…

2001: Vanessa Whye ist 15, als sie an der Browick Schule, einem Internat, auf das sie unbedingt gehen wollte, ihrem Lehrer Jacob Strane begegnet, der zu diesem Zeitpunkt Anfang 40 ist.Es beginnt eine jahrelang andauernde Beziehung, die auf Manipulation und emotionalem und physischem Missbrauch gründet.
2017: Eine andere ehemalige Schülerin Stranes hat ihn angezeigt und öffentlich des Missbrauchs bezichtigt. Vanessas Bild beginnt zu bröckeln. Sie wollte nie ein Opfer sein. Sie wollte, dass die Beziehung zu Strane eine echte Liebesgeschichte ist, „Denn wenn es keine Liebesgeschichte ist, was ist es dann?“. S. 384.

Das war einfach unglaublich hart. Zu lesen, wie Vanessa manipuliert und benutzt wird und hilflos „zusehen“ zu müssen, war grausam. Zuerst hatte ich Schwierigkeiten mit dem Buch, weil es mich so wütend gemacht hat, wie naiv und blauäugig Vanessa in ihr Verderben gelaufen ist.
Bis ich mein 15-jähriges Ich vor mir sah. Bis ich mir klar gemacht habe, wie ich in dem Alter war. Was ich geglaubt und getan habe, wie ich dachte, was mir wichtig war und wie ich mich und andere sah. Auf der Stelle hat sich meine Sichtweise auf den Roman und seine Protagonistin verändert.

Es ist hier so erschreckend, weil es ein Lehrer ist. Weil es ein sehr viel älterer Mann ist und weil Vanessa um jeden Preis versucht, die Wahrheit auszublenden. Viel erschreckender ist aber eigentlich, dass ich mir sicher bin, dass jede Frau und jedes Mädchen ab einem gewissen Alter, ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Ich glaube, wir sind alle Missbrauchsopfer, „Überlebende“ wie es im Roman genannt wird (was ich problematisch finde, aber das ist eine andere Geschichte…). Die Ausprägung mag unterschiedlich sein, aber, und das macht Meine dunkle Vanessa auf sehr kluge Weise deutlich: Eine Vergewaltigung ist Missbrauch, eine Hand, die sich ungefragt und unerwünscht auf ein Bein legt, ist es jedoch ebenfalls.
Ein so wichtiges Buch, dessen Inhalt so schwer zu ertragen ist!

← Vorheriger Beitrag

Nächster Beitrag →

3 Kommentare

  1. Hallo,

    ich muss zugeben, ich bezeichne mich selber nach Kindheits- und Jugenderfahrungen mit sexuellem Missbrauch lieber als Überlebende denn als Opfer, weil ich damit klarstellen will: es bestimmt mich nicht (mehr), ich bin mehr als das. Aber ich denke, die Bezeichnung sollte jeder für sich selbst entscheiden dürfen.

    Eigentlich möchte ich „Meine dunkle Vanessa auch noch lesen, aber ich bin mir jetzt schon sicher, dass es mich sehr wütend machen wird, und frage mich, ob ich mir das wirklich antun will…

    LG,
    Mikka

    • Frieda Frei

      Hallo Mikka,
      ja, ich sehe es genau so und jede*r sollte das für sich entscheiden. Ich verstehe auch die negative Assoziation mit „Opfer“. Bei „Überlebende*r“ schwingt für mich nur immer der Gedanke an diejenigen mit, die es nicht überlebt haben. Durch den Begriff „Überlebende“ werden diese unsichtbar, denn es ist nicht ihre Schuld, dass sie sich nicht zu den Überlebenden zählen können.
      Wie du aber schon sagtest: Volles Verständnis für jede*n der/die sich so bezeichnet. Für manches gibt es einfach keine „angemessenen“ Bezeichnungen.
      Eine Empfehlung es zu lesen oder eben nicht kann ich nicht aussprechen. Ich denke, das ist etwas sehr Persönliches, das jeder für sich selbst entscheiden muss.

      LG

Schreibe einen Kommentar zu Frieda Frei Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert