Sally ist 17 und aus einer Klinik weggelaufen, in der sie wegen einer Essstörung und autoagressivem Verhalten behandelt wurde. Irgendwo in den Weinbergen einer ländlichen Gegend begegnet sie Liss, einer schweigsamen und hart arbeitenden Frau. Sally kommt bei Liss unter, die in dem jungen Mädchen sich selbst zu sehen meint. Nach und nach, in kleinen Schritten, bewegen sich die beiden Frauen aufeinander zu und können sich der anderen gegenüber öffnen. Warum Liss im Dorf von fast allen gemieden wird und weshalb sie so zurückgezogen lebt, offenbart sich zögernd und so können Sally und Liss aneinander und miteinander heilen.

Grundsätzlich haben mir besonders die Charaktere in Ewald Arenz Roman gefallen. Sally und Liss sind einfach sympathisch und man muss sie irgendwie mögen. Dennoch bleiben für mich zwei größere Kritikpunkte bestehen, die das Buch für mich zu einer lediglich mittelprächtigen Leseerfahrung machen (und ja ich weiß, dass das in diesem Fall eine unpopular oppinion ist…):
1. Die Sprache und gegen Ende auch der Plot waren mir viel zu pathetisch. Da ist schon auf der ersten Seite die Rede von „Sommerwasser. Man konnte es nur mit den Augen trinken.“ S. 5 und „[d]er Fahrtwind fauchte ihr den Geruch von Regen und Grün ins Gesicht.“ S. 133. Es gibt eine Menge mit allerlei Pathos aufgeladene Metaphern und Bilder und das ist vollkommen in Ordnung, wenn man das mag. Ich mag es nur leider einfach nicht.
2. Diese Geschichte von der pschychisch kranken jungen Frau, die einfach nur mal ein bisschen Freiheit erleben, ein bisschen Landluft schnuppern, richtig arbeiten und jemanden kennen lernen muss, der sich wirklich um sie sorgt, um zu heilen und gesund zu werden, finde ich ehrlich gesagt nicht ganz unproblematisch. Essstörungen und autoagressives Verhalten mögen häufig Hilfeschreie genau danach sein, jemand, der stationär in einer Klinik behandelt wird, wird seine Süchte aber kaum aufgeben, weil jemand Fremdes anbietet, bei ihr zu wohnen, ohne sie zu nerven, wie die anderen es tun.

Tatsächlich hatte ich wiederholt das Gefühl, dass ernste psychische Probleme hier verharmlost, die professionelle Behandlung negativiert und einfache Lösungen romantisiert wurden.
Versteht mich nicht falsch, ich kann total verstehen, dass vielen das Buch sehr gut gefällt, denn Sally und Liss sind liebenswürdige  Charaktere und ihre Freundschaft ist herzerwärmend. Mir hat es sprachlich und stilistisch einfach nicht so zugesagt und auch der Plot konnte mich etwa ab der Hälfte nicht mehr zu 100% fesseln. Wer sich aber für hochemotionale und leise Freundschaftsgeschichten, für ein Setting in ländlicher Umgebung und Naturbeschreibungen begeistern kann, für den kann Alte Sorten von Ewald Arenz eine echte Bereicherung sein.