Die Erzählerin in Monika Helfers Roman Die Bagage resümiert über die Geschichte ihrer Familie.

1914 leben ihre Großeltern Josef und Maria Moosbrugger mit ihren Kindern in bescheidenen Verhältnissen abseits eines kleinen Dorfes in den österreichischen Bergen. Sie sind Außenseiter, bei allen nur bekannt als „die Bagage“, die von der Dorfgemeinschaft aus verschiedenen Gründen kritisch beäugt wird. So besitzen sie das billigste und miserabelste Stück Land, Josef ist immer wieder in ominöse Geschäfte verwickelt und einer der Söhne beherrscht Mathematik bereits besser, als der Dorfschullehrer. Allerdings ist es insbesondere Maria, die durch ihre ausgesprochene Schönheit im Dorf immer wieder auffällt. Die Gerüchteküche über sie und die ganze Moosbrugger-Familie brodelt also immerzu. Als Josef zum Kriegsdienst eingezogen wird, bittet er seinen Geschäftsfreund und Vertrauten, den Bürgermeister, ein Auge auf seine Frau zu haben. Als dieser mit ihr auf einen Markt in der Stadt fährt, lernt Maria einen geheimnisvollen Deutschen kennen, der ihr den Kopf verdreht. Aber auch der Bürgermeister selbst wird immer zudringlicher, je länger Josefs Kriegsdienst andauert und schon bald ist nicht mehr zu übersehen, dass Maria ein Kind erwartet…

Die Beschreibungen der Lebensumstände des beginnenden 20. Jahrhunderts wirkten auf mich absolut authentisch. Vor allem die klaren Geschlechterrollen und die Strukturen und Hierarchien, die in kleineren Dorfgemeinschaften vorherrschen, stellen die unterschwelligen Themenschwerpunkte des kurzen Romans dar, aber auch das Familiengefüge der Moosbruggers und die Rollenverteilung der einzelnen Mitglieder ist zentraler Teil des Textes. Hier hätte ich mir eine ausführlichere Ausarbeitung der Charaktere gewünscht, denn insbesondere die Kinder Josefs und Marias, die jeweils durchaus Potential mitgebracht hätten und alle mein Interesse wecken konnten, blieben viel zu blass.

Dennoch konnte mich der Roman durch seine hervorragende Sprache und seine Authentizität absolut überzeugen. Besonders die Figur der Maria erschien mir absolut klar und greifbar und vermittelte hervorragende Einblicke in die weibliche Lebensrealität zu dieser Zeit.