Achtung, Rezension enthält Spoiler zum Ende!

Irland in den 1850er-Jahren.
Die Engländerin Lib, eine Nightingale-Schwester, bekommt einen besonderen Auftrag: Sie soll die elfjährige Anna bewachen, die angeblich seit ihrem Geburtstag vor vier Monaten keinerlei Nahrung mehr zu sich genommen hat.
Während die streng katholische Familie und das ganze ebenso gläubige Dorf an ein Wunder glaubt, ist Lib sich sicher, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Sie will um jeden Preis herausfinden, wie das Kind es schafft, ihr ganzes Umfeld derart an der Nase herumzuführen. Aber tut sie das wirklich oder muss Lib nach den ihr aufgetragenen 14 Tagen Wache ihr eigenes Weltbild überdenken und erkennen, dass es sich bei Annas Fasten tatsächlich ein Wunder Gottes handelt?

Der Plot, der auf wahren Begebenheiten rund um sogenannte „Fastenmädchen“ basiert und durchaus spannend hätte sein können, war leider eher enttäuschend. Etwa die Hälfte der knapp über 400 Seiten hätte sich die Autorin Emma Donoghue, die vor allem für ihren Roman „Raum“ bekannt ist, meines Erachtens nach sparen können, weil sie entweder nur wiederholten, was wir bereits wussten oder einfach irrelevant waren. Die Erzählerin Lib ist des Weiteren wenig reflektiert und nicht gerade das, was man eine Blitzmerkerin nennt.
Aspekte, die im historischen Kontext wirklich interessant sein könnten, wie etwa die Hungersnot in Irland oder der Krieg auf der Krim, werden lediglich oberflächlich angeschnitten. Auch hier hätte man den Roman wesentlich gehaltvoller gestalten können, als er geworden ist.

Zum Ende hin gibt es dann eine absolut weirde und schlecht geschriebene Kussszene und als dann noch der fucking „Prinz“ wortwörtlich mit einem Gaul angedackelt kommt, um alles zu retten, was zu retten ist, war das Ding für mich gelaufen. Super überflüssiges Hollywood Happy End inklusive.

Schade. Hier wurde in meinen Augen eine Menge Potenzial verschenkt, denn die Grundthematik, der historische Kontext, das Setting im erzkatholischen Irland und die Hintergrundgeschichten der Figuren hätten so viele Möglichkeiten für einen wirklich guten Roman geboten, die hier ungenutzt bleiben.

Meine Lesepartnerinnen @lesestress , @knigaljub , @coffeecakesandbooks und ich hatten, nicht nur wegen des meiner Meinung nach traumhaft schönen Covers, mehr erwartet. Ich bin mir sicher, dass wir es eines Tages noch schaffen, einfach ein schönes Buch zu erwischen.