Achtung Rant!

Ich habe „Wildauge“ von Katja Kettu beendet und ich muss sagen, ich habe es nur zu Ende geschafft, weil ich es zusammen mit @lesestress , @coffeecakesandbooks und @knigaljub gelesen habe. Hätte ich das alleine angefangen, hätte ich es allerspätestens nach 100 Seiten an die Wand gepfeffert. Was mir gefallen hat? Die Nachworte vielleicht, die besser Vorworte gewesen wären. Die Übersetzung aus dem Finnischen von Angela Plöger ist wohl auch eine besondere Arbeit, sofern ich das beurteilen und dem Nachwort entnehmen kann. Was ich überhaupt nicht mochte? Ungefähr alles andere.

– Die Sprache, die dauerhaft klingt, wie aus einem schmierig-schmuddeligen 80er-Jahre Porno.
– Die Charaktere, die sich ausnahmslos unmenschlich, grausam, triebgesteuert und nicht nachvollziehbar verhalten.
– Den Plot, der laut Klappentext eine Liebesgeschichte sein soll, in dem es aber nur um stumpfes Gerammel geht und das in einem Setting, in dem das einfach nur Brechreiz erzeugt.
– Den erzählerischen Schwerpunkt, der nicht auf den kriegerischen Handlungen in Finnland um 1944 und dem Lager liegt, in dem das Buch spielt, nein nicht einmal auf der („Liebes“)Beziehung, die sich zwischen den Erzähler*innen entspinnt, sondern ausschließlich darauf, möglichst plastisch, drastisch, olfaktorisch und abstoßend zu beschreiben, wie Menschen Sex haben, vergewaltigen und andere quälen.

Ich weiß auch gar nicht, wo ich anfangen und wo aufhören soll mit meiner Kritik. Aus dem Grundgerüst der Geschichte, hätte man mit Sicherheit ein gutes Buch machen können. Aber wenn es ununterbrochen um den „Schwanzgeschmack zwischen den Brüsten der Frauen“ (S. 158), um den Geruch von Scheiden (u.a. S. 190) und immer wieder um „Mösen [die sich] um deinen Schwanz herum gepresst hatten“ (ebd.) geht, oder um „Wildauges straffes, glattes Loch“, das erst so eng ist, „dass man meint, da kommt man nie hinein, dann wird es feucht, bald fließt ihr Saft die Schenkel hinab. Eine Honigmöse.“(S. 265), dann kann ich Aussagen, die darin „eine außergewöhnliche Liebesgeschichte in Zeiten des Krieges“ sehen (Klappentext), einfach nicht ernst nehmen.

Auch wenn ich natürlich finde, dass „Du hast die schönsten Klöten der Welt und die bedächtige Seele eines Pilzsuchers, und deshalb kann ich dich niemals verlassen“ (S. 383) eine sehr romantische und zauberhafte Liebeserklärung ist, sodass ich überlege, dieses Zitat in mein Gelöbnis für meine freie Trauung zu übernehmen. Ironie aus.

Die „verblüffende Sprachgewalt“, die der Autorin auf dem Klappentext attestiert wird, klingt für mich jedenfalls eher wie der durch Pornokonsum erworbene Wortschatz pubertierender Witzbolde.
Mein nächstes Problem mit dem Text: er spielt mitten im zweiten Weltkrieg in Finnland, in einem Lager für Kriegsgefangene und andere Menschen. Die Protagonistin und Erzählerin wirft andere Frauen den Männern quasi zum Fraß vor, es geht um grausamste sexualisierte Gewalt, um erzwungene Abtreibungen, sadistische Vergewaltigungen, Morde und alle Grausamkeiten, die Menschen einander so antun. Aber eben immer nur als Sideplot. Denn im Mittelpunkt des Ganzen steht durchweg dieser eine Nazi, den diese Frau so hemmungslos und verstandbefreit liebt, dass es nichts wichtigeres zu geben scheint, als sich mit ihm zu paaren und sich von ihm „bespringen“ zu lassen.

Dass dabei wiederholt das N- und das Z-Wort fallen (nebenbei auch einmal im Nachwort, was ich mehr als fragwürdig finde…), die Greueltaten der Deutschen meiner Meinung nach relativiert werden und mit dem Protagonisten Johann Angelhurst das Narrativ vom passiven deutschen Soldaten reproduziert wird, der ja eigentlich nix gemacht, sondern nur Befehle befolgt hat, hat mich wirklich und ehrlich wütend gemacht. Auch dass es so rüberkommt, als ob der arme, passive Johann ja eigentlich nichts dafür kann, dass sein Lörres nicht in der Hose bleibt, wenn die Damen der Schöpfung da immer so mit ihren verführerischen Körpern rumlaufen und einfach existieren hinterlässt mich sprachlos und kopfschüttelnd.

Und die Moral von der Geschichte (Achtung Spoiler): Wenn man nur lang genug auf den Tuppes wartet, in der Hölle ausharrt, seine Babys in anderer Frauen Bäuche abtreibt, sich die Zähne ausschlagen lässt und endlos oft vergewaltigt wird, dann „gewinnt“ man am Ende und darf happily ever after mit dem Nazi seiner Träume in ner Höhle kopulieren, der zwar ein feiges Arschloch ist, das jede Menge Blut an den Händen und Dreck am Stecken hat, aber er hat einfach so super nice Hoden.


Okay, ich weiß nicht, ob man’s merkt, aber ich fand das Buch wirklich nicht so prickelnd.
Wer es also haben möchte, möge sich gern bei mir melden. Ich sende es der ersten interessierten Person mit Freude und Kusshand als Neujahrsgeschenk zu. Vielleicht kann es ja jemand anderem irgendwas geben und ein Leben bereichern. Ich lasse mich dann gern aufklären, was daran gut sein soll.
Welches Buch hat euch zuletzt so richtig aufgewühlt, geärgert oder gar wütend gemacht und warum?