Die Fassaden, die man sich errichtet, sind mächtig. Sie gehören zu einem, man kann selbst gar nicht mehr sagen, wo sie aufhören und wo man selbst beginnt. Sie halten einen aufrecht.

S. 25 f.

Das erste Buch, das ich neuen Jahr beendet habe, war für mich direkt ein Highlight.
In Nüchtern von Daniel Schre

iber geht es, wie der Untertitel passend verrät, um „das Trinken und das Glück“.

Auf 153 Seiten reflektiert Schreiber seinen eigenen Alkoholkonsum und seinen Weg in die Nüchternheit. Dabei kommen so unglaublich kluge Sätze heraus, dass ich irrsinnig viele Post-Its verkleben und Sätze unterstreichen musste.

Auch über Ursachen von Alkoholismus, verschiedene Studien und Forschungsergebnisse informiert das Buch und gibt einerseits persönliche Einblicke in die Erfahrungen des Autors, ist aber auch sehr objektiv und behandelt das Thema auf eine rationale Weise, sodass es inhaltlich wahnsinnig dicht und erhellend ist – trotz der geringen Seitenzahl.

Wenn ich mich heute an die Zeit des Trinkens zurückerinnere, kommt mir vor allem das wieder in den Sinn: dieses stille Unglück, diese ganz alltägliche Unterströmung der Depression, das oft nur schwer zu unterdrückende Gefühl, dass in meinem Leben grundsätzlich irgendetwas nicht stimmte. Und einfach nicht zu wissen, was das sein könnte.


S. 14.

Was ist Sucht? Woher kommt sie? Wie können wir sie erkennen und was können wir dagegen tun? Warum ist Deutschland eine Alkohol-Hochburg und woher kommt die Scham, die wir mit dem Thema Alkoholismus assoziieren? Wie fühlt sich ein Entzug an und warum ist es möglich, auch mit Alkoholproblem hervorragend zu funktionieren und sehr erfolgreich zu sein?
Schreiber seziert unsere und seine eigene Beziehung zum Alkohol, die er als große Liebe bezeichnet, deren Ende sich lange hinzog.

Vor allem macht er aber klar, dass Abhängigkeit entgegen unserer Vorurteile „sehr wohl eine Krankheit ist, von der Genesung möglich ist“ (S. 108) und dass ein Leben ohne Alkohol nicht einsam und öde ist, sondern bunter und klarer, bereichernd und befreiend. Dem möchte ich mich voll und ganz anschließen. Daniel Schreiber gilt mein tiefer Dank für dieses wunderbare, emotionale Buch!