Queere Menschen […] haben Repräsentation, Schutz und gleiche Rechte nicht etwa verdient, weil sie alle miteinander so tugendhaft und rechtschaffen wären. Sie verdienen diese Dinge, weil sie Menschen sind, das genügt.

S. 73.

Ich gebe zu: Romane über toxische Beziehungen gab es in den letzten Jahren einige (und das finde ich gut). Auch ich habe bereits mehrere gelesen, manche mehr, manche weniger gern. Sie alle erzählten aber von heteronormativen Beziehungen, der Aggressor war in der Regel männlich, das „Opfer“ weiblich. Wie aber sieht häusliche Gewalt in queeren Beziehungen aus? Carmen Maria Machado erzählt in ihrem autofiktionalen Roman „Das Archiv der Träume“ von einer lesbischen Beziehung, die von emotionaler, psychischer und physischer Gewalt geprägt ist.

Die Erkenntnis, die Protagonistin und Autorin irgendwann haben, ist ebenso traurig wie wahr:
„Die meisten Formen häuslicher Gewalt sind vollkommen legal.“
S. 157.

Und trotzdem ist da immer auch die Liebe, die Betroffene an Täter*innen bindet. Sie lässt sie Entschuldigungen finden, Gründe für das Verhalten der Partner*in. Wie wäre es z.B. mit Besessenheit?

Du willst eine Erklärung, die sie von jeder Verantwortung befreit, die das unverminderte Fortbestehen eurer Beziehung ermöglicht. Du willst anderen erklären können, was sie getan hat, ohne Entsetzen in ihren Gesichtern zu lesen.

S. 185.

Jede*r der/die selbst Erfahrungen mit toxischen Beziehungen machen musste, wird beim Lesen immer wieder wild mit dem Kopf nicken und sich sehr verstanden fühlen. Leser*innen, denen eigene Erfahrungen bisher erspart geblieben sind, können durch Das Archiv der Träume vielleicht lernen, Betroffene besser zu verstehen und Muster frühzeitig zu erkennen. Anders als andere Romane, die sich mit der Thematik befassen, schreibt Marchado eindringlich, aber wenig grafisch, emotional, aber nicht auf bildhafte Schockmomente fokussiert. Sie erzählt ihre Geschichte wie eine Art düsteres Märchen, zeichnet die Beziehung als Traumhaus und verwendet dabei mal poetische, mal derbe Sprache. Die Übersetzung aus dem Englischen von Anna-Nina Kroll ist dabei hervorragend gelungen.
Ein unheimlich wichtiges Buch! Unbedingt Lesen!