Es mussten Gebote befolgt werden.
Du sollst ihr nicht sagen, wenn sie dir wehtut, wenn du eifersüchtig, niedergeschlagen oder nachtragend bist. Du sollst sie nicht darauf hinweisen, wenn sie dich auf Abstand hält, wenn sie dich ein bisschen vergisst. […]
Du sollst nicht zeigen, was du fühlst.

S. 87.

„Ich heiße Fatima.“ So oder so ähnlich beginnt jedes Kapitel in Fatima Daas autofiktionalem Roman Die jüngste Tochter, der vom Leben zwischen zwei Welten erzählt. Die algerischen Wurzeln, das Aufwachsen in Frankreich, der muslimische Glaube, die eigene Homosexualität – diese Eigenschaften scheinen sich auf den ersten Blick diametral gegenüber zu stehen und doch sind sie alle Teil des gleichen Lebens; Fatimas Leben. Die traditionellen Rollenbilder, mit denen sie in ihrer eigenen Familie groß geworden ist, verschwimmen mit dem eigenen Bedürfnis nach Freiheit, die familiäre Herkunft, in der „Frankreich zugleich ein Misthaufen und das Paradies“ (S. 161.) ist, mit der eigenen Gegenwart.

Der Klappentext der wunderschönen @buechergilde Ausgabe bringt es auf den Punkt:
„Aufrichtig und inbrünstig beschwört uns Fatima Daas, dass Zerrissenheit kein Makel ist, dass wir uns nicht entscheiden müssen – dass wir Töchter bleiben und Frauen werden können.“

Hervorragend aus dem Französischen übersetzt von Sina de Malafosse, fiel es mir selten so leicht, ein Buch in einer einzigen abendlichen Sitzung einzuatmen – 191 Seiten, die eine ganze Gedanken- und Gefühlswelt erzählen.

Absolute Leseempfehlung.