Was ich erwartet hatte, als ich anfing, „Kraft aus der Natur“ von Theresa Cheung zu lesen:
Konkrete Ansätze, um Natur achtsamer zu erleben, Impulse, um Wahrnehmung und Sinne während eines Aufenthaltes im Wald und Abseits von anderen Menschen zu schärfen, Meditationen, um draußen im Hier und Jetzt anzukommen und zu bleiben, zu entspannen, runterzukommen, abzuschalten. „21 Rituale“, um mein „inneres Gleichgewicht zu stärken“ eben – wie es der Untertitel so hübsch verspricht.

Was ich bekam, als ich dieses Buch las:
Unzählige Wiederholungen, die mir absolute Selbstverständlichkeiten wieder und wieder vorbeteten (ernsthaft, ich glaube, ich habe noch nie ein so repititives Buch gelesen), 21 Ideen, auf die jede*r der/die schon mal in einem Wald oder generell in der Natur war, ziemlich sicher auch selbst schon hatte und ziemlich viel Geschwurbel.
Wolken, Sterne, Vögel und den Mond beobachten, grüne Kleidung tragen, sich mit Heilkräutern befassen, Barfuß gehen, auf Naturgeräusche achten, Fotos machen oder frische Luft atmen sind alles ganz wundervolle und tolle Tätigkeiten, aber wer ein Buch braucht, um auf die Idee zu kommen, dass diese Dinge helfen könnten, sich mit der Natur zu verbinden, kann einem nur leid tun.

Angelegt ist das Ganze als drei Wochen Programm. Pro Tag soll ein „Ritual“ gemacht werden. In der ersten Woche bleibt man dabei noch weitestgehend in den eigenen vier Wänden, in der zweiten Woche guckt man dann auch schon mal aus dem Fenster oder geht, sofern vorhanden, in den Garten und in der dritten Woche geht es dann ans Eingemachte. Da schlägt die Autorin so verrückte Dinge vor wie Barfuß über Erde laufen. How crazy is she? Verdammt, ich werde zynisch…

Am Ende jedes Kapitels fordert sie uns mit der nahezu immer gleichen Wortwahl dazu auf, unsere Erkenntnisse in unserem „Zurück-zur-Natur-Tagebuch“ festzuhalten und beschreibt Geschichten, die davon erzählen, wie eben jenes Ritual irgendjemandes Leben endlich lebenswert gemacht hat.

Versteht mich nicht falsch: wenn dieses Buch auch nur einem Menschen hilft, glücklicher zu sein, finde ich das ganz hervorragend und wenn jemand von euch 24/7 in einem Büro sitzt, auf spirituell-transzendente Sprache steht und noch nie einen Wald betreten hat, dann ist das vielleicht ein ganz tolles Buch für euch, das euch hilfreiche Impulse liefert, um Neues auszuprobieren, rauszukommen, achtsam zu sein.
Aber auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich hier durch und durch um ein Naturkind-Einsteigerbuch handelt, für das ich einfach nicht die Zielgruppe bin, behaupte ich, dass man den sich auf 250 Seiten erstreckenden Inhalt auch locker auf 50 hätte unterbringen können, ohne dass etwas Essentielles verloren gegangen wäre.
Meins war es nicht und ich war tatsächlich froh, als ich es hinter mir hatte, obwohl ich jetzt weiß, dass ich mit meinem „wahren und authentischen Selbst“ anscheinend doch schon ganz gut verbunden bin. Trotzdem freue ich mich für jeden Menschen, den es dazu anregen kann, rauszugehen, Neues auszuprobieren, Natur zu erleben.