In dem Kammerspiel mit Namen ‚Familie‘ wird das Kind nicht selten zum Blitzableiter der Kräfte, denen die Frau im Patriarchat unterworfen ist.

S. 113.

Ich schließe mich den zahllosen begeisterten Stimmen voll und ganz an. Aus guten Gründen hat Daniela Dröscher es mit Lügen über meine Mutter auf die Shortlist des Buchpreises geschafft.
Für mich war es zweifellos ein Jahreshighlight.

Die wenigsten Mädchen wollen so aussehen wie ihre Mutter. Das ist eine verständliche Abgrenzung
In meinem Fall steckt eine komplizierte Distanznahme dahinter. Früh hat sich in meinen kindlichen Blick der Blick meines Vaters eingeschrieben. Lange Zeit habe ich seinen Blick mitgesehen, ob ich wollte oder nicht. Ich musste lernen, ihn aktiv zu verweigern.

S. 61.

Elas Mutter ist in den Augen ihres Mannes zu dick. Das Gewicht ist das vorherrschende Thema in diesem zu Hause, aus dem die Figur Ela ihre Kindheit erzählt. Der Vater, dem seine Frau und vor allem deren Körper unangenehm ist, die unbezahlte Arbeit, die die Mutter Tag für Tag leistet, damit der Alltag überhaupt funktionieren kann, wie sie sich darüber beinahe selbst aufgibt und immer wieder hinten anstellt und vor allem, was das mit Ela macht, mit ihrem Blick auf die Eltern, auf (weibliche) Körper und auf sich selbst – davon erzählt Dröschers Roman eindringlich, authentisch und ohne Umwege.

Normalerweise bin ich kein großer Fan von kindlichen Perspektiven. Sie wirken oft gestelzt und holprig. In Ela konnte ich mich jedoch ab der ersten Seite voll und ganz einfühlen. Selten hat mich eine Romanfigur so wütend gemacht, wie Elas Vater und ich wollte Elas Mutter unzählige Male schütteln und anflehen, zu gehen. Die Dynamik einer unglücklichen Paar- und ungesunden Familienkonstellation bringt die Autorin auf jeder einzelnen Seite auf den Punkt.
Daniela Dröscher ist ein Meisterwerk gelungen.

Einziger Kritikpunkt: Menschen, die den gleichen Zwang haben wie ich, werden eine Menge Druck- und Flüchtigkeitsfehler finden. Ich stolpere über so etwas leider, was meinen Lesefluss stört.
Da diese aber in Folgeauflagen hoffentlich getilgt werden, bleibt ein 5-Sterne-Buch zurück, das lange nachhallt.

Selbst gekauft!