Lucy findet heraus, dass ihr Mann Jake eine Affäre hat. Statt ihn zu verlassen, möchte sie den Traum von der Familie nicht aufgeben, will unter allen Umständen vermeiden, dass die gemeinsamen Kinder Wind von der Sache bekommen und die Fassade um jeden Preis aufrecht erhalten. Das Paar trifft eine unkonventionelle Vereinbarung: sie darf ihn drei Mal bestrafen, ihm drei Mal weh tun, weil er sie verletzt hat. Wann und wie das geschieht, entscheidet sie allein. Anders als er möchte sie aber nicht mit anderen ins Bett gehen, ihre Racheideen funktionieren auf anderen Ebenen und verletzen auf perfide Weise seelisch und emotional, aber auch körperlich. Sie erkennt, dass in ihr schon immer eine versteckte, dunkle Seite gelauert hat, die sie bisher vor der Welt versteckt hat. Nach und nach verwandelt sich Lucy in eine Harpiye, die auf einem schmalen Grad zwischen Rache und Vergebung balanciert. Doch irgendwann gerät eine Racheaktion außer Kontrolle und es werden auch andere Menschen in den Strudel aus Bestrafungen hineingezogen…

Megan Hunters Roman, aus dem Englischen von Ebba D. Drolshagen, funktioniert ein wenig, wie ein dunkles Märchen gemischt mit einer Portion Desperate Housewives, mit eindrucksvoller und bildreicher Sprache und hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Mit jeder Seite zieht es einen tiefer in den Sog, in dem Lucy mehr und mehr zu dem dunklen Wesen wird, dass sie jahrelang zu verstecken versuchte.

Wir lebten in unserer eigenen Version von Elternwelt, einem Ort, an dem nichts geschah. Wir streamten Serien, um uns zu erinnern, wie sich ein Leben anfühlte, in dem etwas passierte, in dem eine einzige Nacht das Leben völlig auf den Kopf stellen konnte. In unserer Welt waren Babys passiert, das war zumindest etwas.

S. 115.

Fesselnd wie ein Thriller, dabei gesellschaftskritisch und psychologisch tiefgründig hat mich „Die Harpyie“ völlig in den Bann gezogen.