Rezension enthält Spoiler für das gesamte Buch. Sie sind zuvor gekennzeichnet.

Ein paar von euch wollten wissen, was ich an Ansuz so grottenschlecht fand, daher hier meine unqualifizierte Meinung. Wer die Reihe liebt, liest bitte einfach nicht weiter. Ich bin People-Pleaser und möchte es mir eigentlich ungern mit euch verscherzen…

Zunächst kurz zum Inhalt:
Anne ist 17 Jahre alt und hat Visionen von Ereignissen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Als ihr Nachts die Ermordung eines rothaarigen Mädchens erscheint, auf dessen Körper eine Rune hinterlassen wird, ist dies der Beginn einer Mordserie, die die Kleinstadt in Dänemark in Atem hält. Annes Freundin Luna, eine Asen-Gläubige, und Mathias stehen Anne zur Seite, die versucht, den Geheimnissen um ihre Herkunft auf den Grund zu gehen und herauszufinden, welche Rolle sie selbst bei den Morden spielt. Dabei öffnen die drei ein Tor in eine unbekannte und fantastische Welt voller Hexen, Götter und anderen Wesen, die Anne für reine Fantasie gehalten hatte…

Nordische Götter, eine starke Protagonistin, Mord, Magie und Fantasy? Das klang für mich wie die eierlegende Wollmilchsau. Leider konnte mich Ansuz, der erste Band der Trilogie Das Flüstern der Raben von Malene Sølvsten, nicht nur nicht überzeugen, ich fand das Buch schlicht und ergreifend unheimlich nervig, platt und schlecht geschrieben – daran kann auch der Buxtehuder Bulle, einer der wichtigsten Jugendliteraturpreise Deutschlands, nichts ändern, mit dem das Buch (warum auch immer…) ausgezeichnet wurde.

Der Texteinstieg gelang noch problemlos, auch wenn ich mich schon ein wenig darüber wunderte, dass Luna und Mathias anscheinend prompt und aus dem Nichts Annes neue Besties sein wollen, als die komplett unnahbare und verschlossene Protagonistin in ihrer neuen Schule auftaucht. Als dann aber der ach so geheimnisvolle, hotte Varnar in Annes Leben treten muss und detailliert beschrieben wird, wie sie sich täglich sportlich ertüchtigt, hunderte Liegestütze macht, kilometerweit laufen geht und viel und ständig Kampfunterricht beim super-mysteriösen-Varnar-Hottie nimmt, war ich doch recht schnell ernüchtert.

ACHTUNG SPOILER:


Dass sich zwischen den beiden im Laufe des Buches eine unfassbar nervige und kitschige Lovestory entfalten muss, war mir zwar recht schnell klar, änderte aber nichts daran, WIE nervig und kitschig ich das Teenie-Hin-und-Her-Ja-Nein und sein ehrenhaftes, pflichtbewusstes Heldengesülze darüber fand. Ganz vorbei war es für mich, als auf Seite 529 der Plottwist aus der Hölle kam, der an Plattheit kaum zu übetreffen ist (auch wenn die Autorin das noch ein paar mal versucht). Natürlich hat Anne nämlich eine Zwillingsschwester. Die hochschwangere Mutter wurde damals von der Bösewichtin gefangen genommen. Kurzerhand schnitt man ihr den Bauch auf, holte Anne heraus, übersah aber blöderweise, dass sich da noch ein Baby im Bauch befand, nähte die Mutter wieder zu, ließ Anne in der Menschenwelt zurück und entführte Mutter samt Zwilling im Bauch ins Reich der Götter. Jo, aber klar doch… Son zweites Kind im Mutterleib kann einem schon mal durchgehen…

SPOILER ENDE!

Hatte ich zuvor noch Hoffnung, dass die Story die schlechte Übersetzung, die Logik- und Lektoratsfehler wettmachen könnte, war ich ab diesem Zeitpunkt vollends desillusioniert und wollte die letzten 300(!) Seiten nur noch hinter mich bringen.

Dass wir es während der ganzen Geschichte dabei mit absolut inkompetenten Erwachsenen und einem völlig fahrlässigen Jugendamt zu tun haben, sei mal dahin gestellt. Unerträglich fand ich jedoch den Polizisten, dessen “Arbeit” so dermaßen jenseits von irgendeiner Realität ist, dass ich das Gefühl bekam, die Autorin will mich für dumm verkaufen. Zu befragenden Teenagern werden Tatortfotos (inklusive Mordopfern) gezeigt, minderjährige Zeug*innen werden in ihrem Privathaushalt ohne anwältliche oder elterliche Beggleitung vernommen, Beweismittel werden angegrapscht und verunreinigt, es wird offensiv geflirtet und niemand scheint alls das irgendwie bedenklich zu finden.

Ganz wichtig zu erwähnen ist außerdem, dass alle Figuren vor allem eines sind: Schön! Das erwähne ich hier extra, weil es für die Autorin offensichtlich von derart großer Bedeutung ist, dass sie immer und immer wieder betont, WIE unfassbar attraktiv, hot, geheimnisvoll, sexy, süß und wunderSCHÖN ihre Charaktere alle sind. Superschön! Sonst haben sie leider keine Tiefe oder Charaktereigenschaften, aber wenigstens sehen sie dabei super aus.


Vor allem Anne scheint dabei so absolut anziehend zu sein, dass restlos alle männlichen Figuren (außer natürlich der super loyale, treue und makellose Mathias, der auf Luna steht) ihr komplett verfallen, sie dauernd lüstern belagern und übergriffig anflirten – egal ob sie 16 oder 600 Jahre alt sind. Fand ich etwas fragwürdig und vielleicht auch einfach nicht okay im Hinblick auf missbräuchliche Verhaltensweisen und Machtgefälle, aber nun ja, Consent und Augenhöhe wird vielleicht überbewertet, so what. Ironie Ende.

Es ergibt auch vorne und hinten im Plot eigentlich keinen Sinn, weil Anne sonst eigentlich immer von allen Leuten gemieden wird und nicht auffällt (wofür es einen Grund gibt) und so ist es halt einfach nur einer von vielen Logikfehlern.


Es tat mir wirklich und ehrlich leid um die Geschichte, von der ich mir so wahnshinnig viel versprochen habe, aber die Folgebände kann ich mir einfach nicht mehr geben, auch wenn der Verlag zumindest die Übersetzer*innen ersetzt hat, die sich hier wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert haben und die ich an dieser Stelle ausnahmsweise und in ihrem eigenen Sinne bewusst nicht namentlich erwähne. Diese 800 Seiten waren in meinen Augen pure Lebens- und Lesezeitverschwendung, zwei weitere derartige Brecher voll mit aalglatten, klischeehaften Figuren, Kitsch, Logikfehlern und an den Haaren herbeigezogenen Plottwists, verpackt in holprige, einfallslose Sprache werde ich mir daher sparen.