Ich weiß noch, dass mir eines Tages klar wurde, wie wichtig mein Körper für unsere Familie war. Nicht mein Intellekt, nicht mein Traum von einer Karriere als Schriftstellerin. Nicht die Person, die in den ersten fünfunddreißig Jahren entstanden war. Bloß mein Körper.

S. 138.


Ende März ist Ashley Audrains Der Verdacht auf Deutsch erschienen.
Ich habe das Buch bereits im Februar lesen können.

Die Ich-Erzählerin Blythe hat alles, was sie immer wollte. Sie hat einen Mann geheiratet, den sie liebt und erwartet das erste Kind von ihm. Als sie ihre Tochter in den Armen hält, wollen bei ihr jedoch nicht die Gefühle aufkommen, die jede „normale“ Mutter so hat. Ihr Umfeld tut die Abneigung gegen das eigene Kind als postnatale Depression ab, jedoch bleibt die Mutter-Kind-Beziehung auch nach Wochen, Monaten und Jahren schwierig und lieblos. Blythe ist sich sicher: mit ihrer Tochter stimmt etwas nicht; dieses Kind ist anders. Die zweite Schwangerschaft und die bedingungslose Liebe, die sie für ihren Sohn empfindet scheinen ihr Recht zu geben: es liegt nicht an ihr, die Tochter ist das Problem. Dann passiert das Schlimmste, was Eltern passieren kann und in Blythe erwächst ein grausamer Verdacht…

Ashley Audrain hat mit Der Verdacht den Roman zu #regrettingmotherhood geschrieben und eine packende Geschichte geschaffen, die mich immer wieder an Leïla Slimanis „Dann schlaf auch du“ erinnerte. Als Leserin war ich bis zum Schluss unsicher, wem ich Glauben schenken soll und ob ich der Erzählerin vertrauen kann.
Zwischenzeitlich wirkten mir die Nebenfiguren, allen voran Blythes Ehemann, der ja nun mal der Vater der Kinder ist, zu blass und zu eindimensional. Auch die zweite Zeitebene, in der wir in Blythes Kindheit eintauchen und ihre ebenfalls unglückliche Mutter kennen lernen, hätte gerne tiefer gehen können. So wirkte es etwas hölzern und mir persönlich war die Mutterschaftsthematik zu kurz gegriffen.

Dennoch hat Der Verdacht die soghafte Wirkung eines Thrillers, lässt dabei aber gleichzeitig gesellschaftskritische Töne in Bezug auf Mutterschaft und den Umgang mit Müttern und Nicht-Müttern anklingen.