Tw: Sucht,Essstörung,Fehlgeburt,Unfruchtbarkeit,Tod und sexuelle Gewalt.

In letzter Zeit kommt es erstaunlich oft vor, dass ich Bücher lese und wünschte, ich könnte sie durch die Zeit senden, damit meine Teenager- und jungen-Erwachsenen-Ichs sie lesen können.
Das war auch der Fall bei Emilie Pines Essaysammlung „Botschaften an mich selbst“ in der deutschen Übersetzung von Cornelia Röser.

In sechs Essays, die sich wie Tagebucheinträge lesen, erzählt die Autorin aus ihrem Leben.Sie lesen sich tatsächlich eher wie nebenbei entstandene Notizen, die die unmittelbaren Gedanken und Gefühle Emilie Pines einfangen, als wie strukturierte Botschaften, die sie sich selbst übermitteln möchte und werden daher eher dem englischen Titel „Notes to Self“ gerecht.

Sie erzählt von der Alkoholsucht und daraus resultierender Krankheit ihres Vaters, von ihrem verzweifelten Wunsch, Mutter zu werden, einer erlittenen Fehlgeburt und der Totgeburt ihrer Nichte, der Trennung der Eltern, als sie ein Kind war, die Periode und das Tabu darum, ihrer Essstörung, Drogenexperimenten, Vergewaltigung und sexueller Gewalt.
Kurz:
Sie erzählt, vom Lebens- und Körpergefühl und den damit einhergehenden Problemen von Frauen der Gegenwart.

Frauen und einige ihrer durch die Gesellschaft konstruierte Probleme werden hier gesehen. Pine schreibt so ehrlich, dass es einem Gänsehaut und Bauchschmerzen verursacht und mich stellenweise Rotz und Wasser heulen ließ und sie macht das großartig.
Ich kann es nicht erwarten,mehr von dieser beeindruckenden, sprachlich unfassbar versierten und klugen Frau zu lesen.
Lest Emilie Pine!

Ich werde nicht zögern, das Wort ‚Vergewaltigung‘ auszusprechen, nur weil ich einen hübschen Rock trage. Ich werde Misogynie beim Namen nennen. Ich werde gegen den verinnerlichten Sexismus ankämpfen. Ich werde nett zu meinen Kolleginnen und Kollegen sein, gerade weil ich nicht weiß, was sie empfinden und wie sie sich fühlen. […] Ich habe Angst, all die krassen Sachen zu gestehen und die schlimmen Sachen, die nicht liebenswerten Sachen. […] Ich habe Angst, anstrengend zu sein. Und ich habe Angst, nicht anstrengend genug zu sein. Ich habe Angst. Aber ich mache es trotzdem.

S. 217 f.