Denn wie soll sich ändern, was populär ist, wenn immer wieder das hochgehalten wird, was schon populär war?

S. 48.

Liebes Kiwi-Team,

ich habe mir überlegt, dass ich gerne ein Buch über Autorinnen schreiben möchte. Es soll davon handeln, warum Frauen im Literaturbetrieb bis heute benachteiligt sind, weshalb sie einer anderen Art von Kritik ausgesetzt sind und ich möchte erklären, warum das Patriarchat brennen soll.
Besteht Interesse?

Herzliche Grüße
Nicole Seifert

Liebe Nicole Seifert,

das klingt, als könnten wir damit das wichtigste populärwissenschaftliche Buch im Bereich der Literaturwissenschaft der letzten, joa, sagen wir mal 20 Jahre zusammen machen.
Wir wären ja blöd, das abzulehnen.

Liebe Grüße
Die Kiwis

So oder so ähnlich muss es abgelaufen sein, als sich die promovierte Literaturwissenschaftlerin Nicole Seifert auf Verlagssuche begeben hat.
Was wir seit Jahren auf Instagram und unseren Blogs diskutieren (allen voran – genau: Nicole Seifert bei @nachtundtag.blog), wurde nun zu diesem hervorragenden Buchprojekt und es hätte keine passendere Autorin und keinen passenderen Verlag hierfür geben können.

In Frauen Literatur verschafft Seifert auf gerade einmal 200 Seiten einen Überblick über die Literaturgeschichte, erläutert die Problematiken, die dem klassischen literarischen Kanon innewohnen, hinterfragt ob es so etwas wie „weibliches Schreiben“ gibt und was das sein kann, nimmt die Literaturkritik auseinander und zeigt auf, warum die Behauptung, im Literaturbetrieb zähle nur die Qualität, ein fadenscheiniges Argument ist.
Der schmale Band ist dabei inhaltlich so dicht und derart randvoll gespickt mit wichtigen und interessanten Informationen, dass ich ununterbrochen den Stift zur Hand nehmen musste, um Abschnitte zu markieren und nun eine Lese- und Wunschliste habe, die bis zum Sankt-Nimmerleinstag ausreichen dürfte.

Zwar musste ich bei der Kontrolle (leider wenig überraschend) feststellen, dass auch ich während meiner Schulzeit und in neun Jahren Kompratistik-Studium literarisch sehr einseitig und männlich sozialisiert wurde, freute mich aber umso mehr, dass ich zumindest in den letzten drei Jahren immer eine, in Bezug auf das Geschlecht, ausgeglichene Lesestatistik vorweisen kann.
Warum ich nach der Lektüre von Frauen Literatur nun auch Nathaniel Hawthornes Der scharlachrote Buchstabe und Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz aus meinem SuB verbannt habe, weshalb ich es Nicole Seifert in Zukunft gleichtun werde und der Griff zum Buch vom weißen, heterosexuellen Cis-Mann für mich eher die Ausnahme sein wird und wieso ich in meinen Rezensionen zu Autorinnen ab sofort vermehrt Begriffe wie „sezieren“, „analytisch“, „distanziert“ oder „rasiermesserscharf“ verwenden werde, könnt und sollt ihr unbedingt selber herausfinden, indem ihr dieses Buch lest.

Denn Seifert seziert und entlarvt nicht nur das Patriarchat, sondern nimmt analytisch und distanziert, auf rasiermesserscharfe Weise die Scheinheiligkeit des Literaturbetriebs auseinander

Ich bin so dankbar dafür, dass es nun dieses Buch gibt über dieses Thema, dass mich schon immer, aber seit mindestens 12 Jahren täglich begleitet. Während des Studiums, der Arbeit als Buchhändlerin und nun in der Bibliothek war und bin ich jeden einzelnen Tag mit der Behauptung konfrontiert, „Frauenliteratur“ funktioniere weniger literarisch, sei eben „banal, kitschig, trivial“ und schlicht und ergreifend nicht so hochwertig und kunstvoll wie Texte, die von Männern geschrieben wurden.
Was ich nun antworten kann (und Frau Dr. Seifert hat es gestern Abend im Live-Video mit @monalalalong höchst selbst autorisiert): BULLSHIT!
Und endlich habe ich auch immer die richtigen und passenden Argumente zur Hand.

Ehrlich Leute, lest das!
Es war mir selten so wichtig, ein Buch an den Menschen zu bringen, denn

[g]egen strukturelle Probleme helfen nur strukturelle Veränderungen, und die sind nur zu erreichen, wenn genug Menschen aus den unterschiedlichen Bereichen ein Interesse daran haben oder sich für die Benachteiligten einsetzen – in den Verlagen, in den Redaktionen, in den Kultusministerien. Und auch Leser*innen und Konsument*innen können dazu beitragen.

S. 177.