Mareike Fallwickl – Das Licht ist hier viel heller

„Wenn die Sätze im Buch plötzlich die Sätze sind, nach denen man gesucht hat so lange schon, die man nicht aussprechen konnte, an denen man sich abgearbeitet hat, um am Ende doch stumm zu bleiben. Es ist ein gutes Buch, wenn es durch alle Schichten schneidet, die man angehäuft hat, damit niemand sieht, wie nackt man in Wahrheit ist, wie allein.“

„Das Licht ist hier viel heller“, S. 235.

Oh und dies ist ein gutes Buch! Ein verdammt gutes Buch!

Schon Fallwickls Debüt „Dunkelgrün fast Schwarz“ hat mir sehr gut gefallen, wenngleich ich die allseitigen Begeisterungsstürme nicht ganz teilen konnte. Dass ich zu den Figuren in ihrem ersten Roman keinen 100%igen Zugang gefunden habe, lag jedoch an mir und meiner Biografie.

Hier nun, mit ihrem zweiten Roman, hat die Autorin auch mich voll und ganz in ihren Bann gezogen, insbesondere durch ihre Sprache konnte sie mich beeindrucken.

Maximilian Wenger ist das, was man heutzutage einen „alten, weißen Mann“ nennt, denn er ist über 50, weiß, heterosexuell und vertritt diverse nicht unproblematische Meinungen in Bezug auf Frauen, Geschlechtergleichheit und Machtgefüge. Als ehemals erfolgreicher Schriftsteller wurmt es ihn, dass er seit geraumer Zeit nichts erfolgreiches mehr zu Papier bringt. Zudem ist er geschieden und hat zwei Teenagerkinder, die ihn ebenso doof finden, wie ihre Mutter. Wenger wird uns präsentiert als ein Mann, der auf ganzer Linie gescheitert ist.

Als Wenger auf einmal Briefe von einer fremden Frau in seinem Briefkasten findet, die eigentlich nicht an ihn adressiert sind und die in ihnen ihre eigene Missbrauchsgeschichte erzählt, kommt ihm endlich eine Idee für einen neuen, potenziell erfolgreichen Roman. Dabei rücken seine Kinder für ihn erneut in den Hintergrund.

Abwechselnd erzählt Fallwickl aus der Perspektive von Wenger und seiner Tochter Zoey, die soeben 18 Jahre alt geworden ist. Dazwischen lesen wir jeweils einen Brief der Unbekannten, die ihren Gedanken Raum geben muss. So entspinnt sich eine Geschichte über eine Vater-Tochter-Beziehung und ihr Scheitern, über Generations-, Geschlechter- und Wahrnehmungsunterschiede, über Macht und ihren Missbrauch und über sexuelle Gewalt und darüber, wie etabliert sie in unserer Gesellschaft ist.

Ohne drastische, detaillierte Darstellungen von Gewalt erschafft die Autorin eine unheimlichh bedrückende Atmosphäre, die verdeutlicht, wie omnipräsent das Thema des sexuellen Machtgefälles ist.

Lest dieses Buch! Es ist differenziert, es ist spannend, es ist emotional, manchmal auch lustig, dann wieder todernst und vor allem ist es eines: sprachlich herausragend! Frau Fallwickl kann schreiben. Und Wie!

„Dass er nicht einmal ahnt, was ich da mit mir trage, und so ist es doch mit allen Menschen. Was sie mit sich tragen, das wissen wir nicht und deshalb sollten wir sanft zu ihnen sein.“

„Das Licht ist hier viel heller“, S. 360.

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2 Kommentare

  1. Ich überlege jetzt schon eine Weile, ob mich mit dieser Reihe anfangen soll oder nicht, aber deine Rezension hat mir echt Lust gemacht! 🙂 Vielen Dank 🙂

    • Frieda Frei

      Huhu,
      das ist keine Reihe. Die Autorin hat bis jetzt zwei alleinstehende Romane geschrieben. Ich wünsche dir aber trozdem ganz viel Freude damit. 🙂

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