Roxane Gay – Bad Feminist

Vielen Dank an den btb Verlag, für das Rezensionsexemplar von Roxane Gays „Bad Feminist“ in der Übersetzung von Anne Spielmann.
Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses großartige Buch lesen durfte.

Es handelt sich um eine Essaysammlung, in der sich Gay nach einem Prolog, in dem sie beschreibt, wie sie persönlich Feminismus definiert, in fünf Themenkomplexen den Themen „Ich“, „Gender & Sexualität“, „Race & Entertainment“, „Politik, Gender & Race“ und „Zurück zu mir“ widmet. Insgesamt handelt es sich um über 35 Essays.

Zugegebenermaßen hat mich der erste Komplex nach dem Prolog, in dem es um die Autorin persönlich und vor allem ihr Hobby (Scrabble) geht, nicht wirklich begeistert. Es war nett zu lesen, aber mir persönlich hat es keinen Mehrwert geboten.
Die folgenden Kapitel konnten dies jedoch allemal wettmachen. Vor allem ihre Film- und Literaturkritiken, in denen sie unter anderem erklärt, warum sie die Begeisterungsstürme über die Diversität in der Serie „Orange is the new Black“ nicht nachvollziehen kann, warum die „Hunger Games“ großartig sind und warum Filme wie „The Help“, „12 Years a Slave“ oder „Django unchained“ für sie nicht unproblematisch sind, haben mich gefesselt.
Die Perspektive einer Woman of Color, haben mir für mich völlig neue Aspekte aufgezeigt, die ich zuvor so nie bedacht hatte.

Besonders hervorheben möchte ich die Essays „Das Problem mit dem Märchenprinzen, oder er, der uns erniedrigt“ und „Tragödie. Appell. Mitgefühl. Antwort“. In erstgenanntem demontiert sie auf herrliche amüsante Art und Weise „Twilight“ und „Shades of Grey“, indem sie sie als klassische Märchen entlarvt, in denen die Frau Opfer bringen muss, um zum Happy End mit Märchenprinz zu gelangen. Dabei muss sie jedoch auch zugeben, selbst viel Spaß beim Lesen gehabt zu haben. Ich habe hier, ohne die Ernsthaftigkeit des Themas zu verkennen, viel gelacht.


In „Tragödie. Appell. Mitgefühl. Antwort“ behandelt sie eben jene Themen aus der Überschrift, indem sie die grausamen Taten von Anders Behring Breivik beschreibt und das daraus entstehende (Mit-)Leid. Gleichzeitig nutzt sie die Gelegenheit, um sich gegen die Todesstrafe auszusprechen und über den Tod von Amy Winehouse zu schreiben und davon, dass auch dieser Tod eine Tragödie ist.
Es geht darum, dass Tragödien nicht gegeneinander aufzuwiegen sind, dass es auf den Blickwinkel ankommt und dass auf der Welt und in der Gesellschaft Mitgefühl keine Mangelware sein darf. Das tut sie mit einer wundervollen Sprache, die ohne Kitsch zu Tränen rührt.

„Man stellt uns diese Fragen, als hätten wir nur die Fähigkeit, eine einzige Tragödie auf einmal zu betrauern, als müssten wir Tiefe und Reichweite einer Tragödie ausloten, bevor wir uns für eine Reaktion entscheiden, als wären Mitgefühl und Teilnahme begrenzte Ressourcen, die wir nur sparsam nutzen dürfen.
[…]
Ich habe nie daran geglaubt, dass Mitgefühl eine begrenzte Ressource ist. Ich würde nicht gern in einer Welt leben, in der das so wäre.
Tragödie. Appell. Groß. Klein. Mitgefühl. Reaktion. Mitgefühl. Reaktion.“

S. 386 f.

Auch ihre Sichtweise auf Privilegien und Priviligiertheit, auf den Begriff „Armut“ und wie dieser definiert wird oder ihr Kommentar zu Vergewaltigungswitzen und Menschen, die sie machen („Zu sagen, was andere nicht aussprechen wollen, zeigt manchmal einfach nur, dass man ein Arschloch ist.“ S. 237) machen mir diese Frau zutiefst sympathisch.

Die Übersetzung konnte mich vollends überzeugen. Worte wie „race“ und Wendungen wie „People/Women of Color“, für die es keine deutschen Entsprechungen gibt, wurden im Original belassen und auch Zitate wurden oft, statt sie wörtlich zu übersetzen und ihnen den Sinn zu nehmen, einfach erklärt.
Das ist eine wirklich gute Arbeit, was man vom Lektorat leider nicht behaupten kann. Ich bin nicht gerne die Korinthenkackerin, aber muss es denn sein, dass sich in den Essay-Überschriften Fehler finden („Die Politik des Respektabilität“) und in Überschriften im Inhaltsverzeichnis Buchstaben fehlen („Politik, Gener & Race“)? Auch im Fließtext sprangen mir so einige Fehler ins Auge. Es gibt „sSchwarze Männer“ und Sätze, die nur zur Hälfte. (Sorry, der musste sein!)

Doch nun genug der Mäkeleien!
Ich verstehe ganz und gar nicht, warum Roxane Gay der Meinung ist, sie wäre eine schlechte Feministin. Ich finde ihre Gedanken und Überlegungen äußerst klug und differenziert und gerade diese Differenziertheit macht sie in meinen Augen zu einer Stimme, die die Bewegung unbedingt braucht. Besonders aus ihrer Perspektive als Woman of Color kann sie mit ihren Essays zur heteronormativen und von Weißen geprägten Debatte wichtige Beiträge leisten.

Dieses Buch ist eine unbedingte Pflichtlektüre für alle, die sich für Themen dieser Art interessieren und eigentlich erst recht auch für alle, die es nicht tun!

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2 Kommentare

  1. Eine wirklich tolle Rezension!
    Das Buch klingt wahnsinnig spannend und informativ, ich möchte mich 2020 mehr mit dieser Thematik auseinandersetzen. Das landet gleich auf meiner Wunschliste! 🙂

    Was ich dir zu der Thematik empfehlen könnte wäre „Alte weiße Männer“ von Sophie Passmann aus dem KiWi Verlag. ♥

    Liebe Grüße
    Anna

    • 75697200

      Hallo Anna,

      vielen Dank für deinen Kommentar!
      Die alten, weißen Männer stehen bereits auf meiner Liste. Ich werde berichten. 🙂

      Liebe Grüße
      Selina

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