– Werbung da Rezensionsexemplar –
Gestern habe ich „Unsichtbare Frauen“ von Caroline Criado-Perez in der Übersetzung von Stephanie Singh beendet.
Der Untertitel erklärt eigentlich ziemlich genau, worum es hier geht:
„Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert.“
In sechs Teilen widmet sich das Buch der Frage wie und warum Frauen im Alltagsleben, am Arbeitsplatz, beim Produktdesign, in der Medizin, im öffentlichen Leben und in Krisenzeiten bzw. im Katastrophenfall trotz Gleichstellungsgesetzen, Erklärung der Menschenrechte und allem anderen Klimbim nachwievor systematisch übersehen, ausgeschlossen, vernachlässigt und diskriminiert werden – und vor allem, was die „Gender Data Gap“ damit zu tun hat.
Wir lernen hier, dass weibliche Crashtestdummies immer nur auf Beifahrersitzen getestet werden (ist ja klar, dass der Mann fährt…) und welche Gründe es sonst noch dafür gibt, dass Frauen im Falle eines Autounfalls mit höherer Wahrscheinlichkeit sterben, als Männer.
Wir lernen, dass Periodenbeschwerden, unter denen ca. 90% der Frauen weltweit leiden, neben Errektionsstörungen, die zwischen 4 und 40% der Männer betreffen, leider absolut keine Priorität haben.
Wir lernen auch, dass selbst in Schweden, dem gelobten Land der geschlechtlichen Gleichberechtigung, nicht alles so paradiesisch ist, wie es scheint.
Criado-Perez muss für dieses Buch Unmengen Studien (wo es denn welche gab. Stichwort: „Gender Data Gap“) und Zahlen gesichtet haben. All diese Zahlen verwendet sie, wodurch klar wird, dass ihre Ergebnisse wahnsinnig gut recherchiert sind.
Leider haben all die Zahlen mich als Leserin zwischenzeitlich etwas erschlagen. Es ist ein absolut wissenschaftlich aufgebautes und gerade dadurch glaubhaftes Sachbuch. Das ist allerdings dem Lesefluss nicht immer unbedingt zuträglich.
Dann und wann fiel es mir schwer, die Zahlen in einen Zusammenhang zu bringen.
„WaterAid berichtet, dass Mädchen und Frauen insgesamt 97 Milliarden Stunden damit verbringen, einen sicheren Ort zu suchen, an dem sie sich erleichtern können.“
S. 76.
Wo? In welchem Zeitraum? Welche Frauen und Mädchen? Alle auf der Welt?
Irritiert hat mich auch, dass der Tod „bei Männern an erster Stelle“ (S. 289) auf der Liste der häufigsten Nebenwirkungen stehen soll. Das kann nur ein Fehler sein.
Sowas ist aber nur Korinthenkackerei und steht in keinem Verhältnis zu all den anderen Zahlen und Fakten, die erschreckend sind. Vielleicht kann mir ja auch jemand meine beiden Punkte erklären und ich stehe nur aufm Schlauch.
Ein weiterer Kritikpunkt war für mich, dass ich das Gefühl nicht los wurde, dass die Autorin die Tatsache, dass Frauen weltweit 75% der unbezahlten Carearbeit leisten (was sie nebenbei wirklich häufig wiederholt…) gar nicht in Frage stellt bzw. keine Ansätze bringt, um diese besser zu verteilen, sondern nur die Umstände für die Frauen zu erleichtern und zu verbessern sucht.
Vielleicht bin ich zu utopistisch veranlagt, aber mir geht die Autorin einfach nicht weit genug.
Auch begründet sie oft, dass die Situationen für Frauen verbessert werden müssten, weil es AUCH der Wirtschaft oder der Gesellschaft im Allgemeinen dienlich wäre. Als bräuchte es dies als Argument, um Gleichberechtigung umzusetzen und Diskriminierung zu beenden.
Wenn es dem letztendlich dienlich ist… nun gut…
Alles in Allem bietet das Buch aber absolut großartige Argumente für etwaige Diskussionen und verblüffende Zahlen, die Männern wie Frauen aufzeigen können wo die Probleme liegen und wie wir verhindern können, dass die vorhandene Gender Data Gap dafür sorgt, dass uns allen weiter Nachteile daraus entstehen, wenn wir sie nicht schließen.
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